Thursday, February 24, 2011

Meine erste Nummer: geschneidert hats!

Jetzt habe ich ein Handy! Und wer wird wohl der erste Eintrag im Telefonbuch sein? Meine Mitbewohner? Julia in Valparaiso? Weit gefehlt! Es ist mein Schneider!

Auf Empfehlung von Alex habe ich nämlich heute einen Anzug in Auftrag gegeben. Nachdem der Chef noch seinen Schneider aus dem Urlaub zurückbeordert hat, war klar, dass ich ihn auch bis Samstag in den Händen halten werde. Schon ein tolles Gefühl, wenn mal jemand Maß nimmt, man Stoffe vergleicht und nebenbei noch über die größten Fußballer der chilenischen Neuzeit und Geschichte plaudern kann. Großartig! Und wenn ich wieder was geschneidert brauch, haben die schon meine Maße! Besser gehts nicht.

Im Rückblick: Wichtige Tipps zum entspannten Reisen

Jetzt bin ich doch tatsächlich schon über 24 Stunden in Santiago. Auch wenn die Gefahr eines Jetlags bei lediglich vier Stunden Zeitunterschied minimal ist, möchte ich doch ein paar Tipps zum anständigen Reisen geben. Schließlich bin ich gestern nach über 40 Stunden wach sein ins Bett gefallen und hab dennoch direkt den richtigen Tagesrhythmus gefunden und keinerlei Beschwerden.

1. keine übertriebenen Zeitpuffer
Die Wahrnehmung von Zeit kann so unterschiedlich sein. Kommen einem fünf Stunden in Frankfurt zwischen Bahnfahrt und Abflug noch wie ein Fingerschnipsen vor (vor allem, weil Cristiane noch dabei war), sieht das Ganze 12 Stunden später schon anders aus. Zwischen 4 und 9 Uhr ist der Sicherheitsbereich des Flughafens Sao Paulo verwaist und es macht enorme Schwierigkeiten, wach zu bleiben, um seinen Anschlussflug nicht zu verpassen. Merke: Zeitpuffer nach Transatlantikflug klein halten.

2. Sitzplatz gut wählen

Wenn möglich, wählt man einen guten Sitzplatz. Ich habs verpasst und damit auch die Möglichkeit vertan, Schlaf zu finden (siehe meine Erfahrungen)
Das Flugzeugmodell, in dem man sitzt, kann man leicht über das Internet rausfinden. Danach lässt sich auf direkt anschauen, wie sich die Plätze in dem Flieger der Airline verteilen.
3. Nach der Ankunft der Müdigkeit nicht nachgeben. Stattdessen Pils mit den Mitbewohnerinnen trinken und um Mitternacht pennen gehen. 10 Stunden später ist man fit und bereit zu neuen Schandtaten.

Zwischenstopp: Bilanz meines ersten Transatlantik-Fluges

Da sitze ich nun im Flughafen von Sao Paulo, nach einem durchaus erträglichen Flug. Zuerst dachte ich sogar, den sitzplatztechnischen Jackpot gezogen zu haben oder zumindest den Sechser ohne Zusatzzahl. Zwischen zwei deutsch aussehenden Opas zu sitzen, die unter sich locker 150 Lenze aufteilten, erschien immer noch besser, als zwischen den Müttern mit ihren unvermeidlich brüllenden Bälgern. Während jedoch die Neugeborenen bald nach dem Start selig wegschlummerten, zeigten meine erfahrenen Nebensitzer ihre Qualitäten.

Links saß ein namenloser Mann, der die ersten 4 Jahre seines Lebens in Deutschland und die folgenden 79 in Kasachstan verbracht hatte. Just diese Brocken Deutsch haben ihm aber viel geholfen, denn dank meiner Übersetzung hat auch er kulinarische Versorgung abbekommen. Sein persönliches Handicap: Er ist auf rechts blind und war deshalb sehr überrascht, wenn der Getränkewagen vorbeikam - immer von rechts übrigens! Saß ja ganz links, der arme Bursche. Ertappt beim Nichts-Mitkriegen, ruderte er dann wild mit den Armen, um zu sagen, dass er nichts trinken wollte oder sich zumindest nicht augenblicklich zu einer Wahl durchringen konnte. Ich hab das dann immer als "ein Wasser, bitte" übersetzt. Alte Leute sollen ja immer genug trinken. Sein großes Talent: Das Kopfkissen und die Decke kamen im Plastiküberzug. Den abzunehmen, war seine Sache nicht. Sei es Schüchternheit oder das Wissen um sein eigenes Ohrenschmalz, er bettete sich unruhig knisternd und raschelnd immer wieder auf der Folie um. Auf meinen Hinweis, die Folie doch einfach komplett zu entfernen, fing er doch tatsächlich damit an, kam aber nicht weiter als zur Hälfte. Er scheint ein sehr ordentlicher Mensch zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er nach seinen raschelnden Dämmerphasen immer wieder das Kissen in die Tüte herein und zum Eindämmern wieder heraus friemelte. Ein großartiges Schauspiel wäre das für jeden, der - anders als ich - hellwach war.

Auf der rechten Seite saß ein Brasilianer mit deutschen Vorfahren ("Kramer" stand im Perso). Sein Talent und Handicap zugleich: Er konnte täuschend echt den Vibrationsalarm eines Handys imitieren. Kurz nur, fast angetäuscht, aber doch spürbar. Ich dachte mir nichts dabei, schließlich gilt ja die Unschuldsvermutung, und döste weg. Geweckt wurde ich durch einen seltsamen Geruch in der Nase erst, als er sich von seinem Platz erhoben hatte, um eine Runde durch den Flieger zu spazieren. Seine Hose muss also aus einem Pupse speichernden Material sein, was seinen gasförmigen Inhalt erst abgibt, wenn der Mensch sich in Bewegung setzt. Quasi die ideale "Einen-Stehen-Lassen"-Buchse, zumal man sie im Sitzen auch über einen längeren Zeitraum aufladen kann. In der Folge stand er noch einige Male auf, imitierte in den Minuten des Sitzens noch einige Male ein vibrierendes Handy, und ich wachte noch einige Male verstört neben einem verwaisten Platz auf. Gerade noch einen Blick auf diesen davon eilenden Spaziergänger konnte ich jedes Mal noch werfen. Diese Hose brauche ich auch!