Friday, October 24, 2008

Back in Business

So, da sind sie vorbei, die ersten zwei Wochen in der Uni. Seit anderthalb Jahren hatte ich nicht mehr Vorlesungen beigewohnt mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der vorgetragene Schmarrn irgendwann im Rahmen einer Klausur abgefragt würde, die auch was zählt. Nicht wie in Spanien, wo die gute alte Münze mich auch schon mal zur Klausurzeit Kaffee, Zeitung und Strand genießen ließ, während die anderen fleißig Umwelttechnik-Klausur schrieben – mit dem gleichen Ergebnis übrigens. Nein, jetzt würde es wieder ernst werden, das Kribbeln war wieder da! Motiviert wie ein getollschockter texanischer Zuchtbulle auf Steroiden vor dem Arsch einer Weidekuh wuchtete ich mein nach Wissen lechzendes Hirn durch die Automatiktür des Behinderteneingangs (ein bisschen Komfort muss sein).

Wirtschaftspolitik/Europäische Integration wurde kredenzt und die unüberschaubare Menge kaum mehr zu bändigender Kommilitonen (handgezählte 13-15 – je nach Zählweise) verlangte Satisfaktion. Das alles bereits um 8 Uhr 30 in der früh – unglaublich, nicht zu fassen. Im krassen Gegensatz dazu der gelangweilte Auszug aus der Lokalität, als 20 Minuten später immer noch kein Professor in Sicht- oder Riechweite war. Leicht erzürnt ob der Aussicht auf sechs weitere Stunden Zeitvertreib in der TU (etwa so erheiternd, wie Weißheitszähnezählen bei 100jährigen) entschied ich mich, der Sache auf den Grund zu gehen und wurde beim Lehrstuhl vorstellig. Dort beschied mir ein Kleiner Zettel, der hastig zwei Tage vorher an die Pinnwand gepult wurde, dass tatsächlich erst nächste Woche der Startschuss gepfiffen werden würde. Und so liefen sie dann auch ab, die ersten 10 Unitage: Scheinbar wollte alles und jeder in der Uni mich darauf hinweisen, dass meine Motivation komplett fehl am Platze ist. So auch Prof. Hunscha, der mich und die anderen Beteiligten wieder einmal darüber aufklärte, dass die unsägliche Linkspartei im Berliner Senat wieder einmal allerhand Mittel für Bildung zusammenstreicht. Zu dumm, dass er dieselbe Einleitung bereits vor mittlerweile vier Jahren in der Einführungsveranstaltung meines Studiengangs benutzte. Kurz gesagt: Der Weg war gepflastert von Routine, schlechtem Mensa-Essen und allerhand Holzköpfen im Publikum. Gerade in so einer Situation merkt man natürlich das Fehlen von ein, zwei Kollegen, die immer antiproportional zu rhetorischer Höchstform aufliefen, wie die Spannungskurve der Vorlesung nach unten abfiel. Schön war’s früher, als ein Dozent sich vorn seine zusammenhanglosen Sätze aus dem Wanst presste, während der ganze Saal selig schlief. Der ganze Saal? Nein, denn ein kleines Grüppchen leistet erbitterten Widerstand, beobachtet die lustigsten Johnnies im Publikum oder wertet die Bayern-Seite der SZ aus, lacht sich dabei Augen und Achseln feucht und muss dem dann Tribut zollen, indem es geschlossen den Ort des Geschehens verlässt und sich ins Schimmeleck auf einen Kaffee verzieht. Hesse und Kurhesse, kommt bald wieder!

Zum Frustabbau war bereits zuvor die Fahrt nach Köln anberaumt. „FC gegen FCE“ – was klingt wie die erste Deutschstunde im Trinkerheim, oder aber auch das Testament von Harald Juhnke, sollte auch selbiges halten. Angekommen am Bahnhof nachts um elf ging es, o Wunder, erst mal auf ein paar Kölsch in die Altstadt. Als ich das Treiben in der ersten Kneipe sah, wusste ich, dass es eine mit Gold nicht mehr aufzuwiegende Entscheidung sein würde, meinen Rucksack über Nacht im Bahnhof einzuschließen. Dies anzukündigen hob ich meine Hand, um meine fünf Freunde, die mich abgeholt hatten, auf meinen Durst und meine zeitnahe Rückkehr hinzuweisen. Ich hatte die Hand handgestoppte 30 Millisekunden in der Luft, da wurde sie sogleich von zwei Jecken um die 40 abgeklatscht mit dem anschließenden Dialog:

„Tach, wer bist du denn?“
„Ja, ich bin der Micha.“
„Mensch, Micha, trink doch eene mit.“


Das tat ich auch, und wenn man direkt so mit der rheinischen Fröhlichkeit konfrontiert wird, lässt einen das nicht mehr los. Sechs bis zwölf Stunden, nachdem wir zuhause ankamen, ging es dann auch direkt los zum Stadion. Mein Mittagessen bestand aus zwei Dönern und drei Paracetamol, die ich mit einem Tropfen Bier in der Fußgängerzone ihrem Bestimmungsort zuführte. Eins vorweg: Den Kopfschmerz lindern sollte schließlich erst der Ramazotti am Abend. Eine unsägliche Partie bekamen wir zu sehen, Stimmung Fehlanzeige. Wenigstens hatte ein Cottbuser Fan noch seinen Auftritt, der (direkt am Zaun zu den Kölschen Fans stehend) zu pöbeln begann. Das halbseidene Kerlchen fing Händel mit einem Typen an, der drei Mal so intelligent und fünf Mal so reich wie er selbst aussah – ein richtiger Normalo eben. Kurze Personenbeschreibung:

Kölner Fan: Familienvater, um die 30, 3-4jähriges Kind aufm Schoß, Freundin daneben sitzend
Cottbuser Fan: Atze, 16-18 Jahre, seit zehn Jahren Raucher (der bestimmt auch immer spuckt), frustriert, verliert TicTacToe gegen ein gewöhnliches Haushuhn

Wer hat Recht? Nach kurzem Hin und Her machte ich die Wurst darauf aufmerksam, wie peinlich das, was er da abzöge, doch für ihn und alle anderen wäre. Verstand er nicht. Wenigstens hat die Freundin des Kölner Fans ihm den Endsieg des Disputs dahingehend verwehrt, dass sie ihm den Pfandbecher wegnahm, der auf der Kölner Seite des Zauns eingehangen war und „rüber“ gezuppelt werden sollte – ein herrliches Bild. Sie: „Und der Becher, der bleibt hier!“ Sprachs, stellte den heiligen Gral auf den Sitz direkt neben den Zaun (gerade außerhalb der Greifweite unseres minderbemittelten Heimatgenossen), und ging. Was für eine Demütigung und Blamage für Maik (so heisst er bestimmt).

So trollten auch wir uns und fanden uns in der Wohnung von Gastgeber Thomas bei einer Pizza und „Der Prinz von Zamunda“ im TV wieder. Gelangweilt fiel mir ein milchiger Fleck auf meinem rechten Knie auf. Mysteriös. Ich kratzte etwas daran und stellte fest, dass es sich um die Konsistenz erstarrten Bruchs handelte. Wie konnte jemand so eine geringe Menge brechen? Und warum auf mein Knie? Entgeistert fiel mir auf, dass ich gerade zuvor die Beine überschlagen hatte und so schielte ich instinktiv runter zu meinem linken Bein. Und tatsächlich: Mir hatte jemand die ganze Wade vollgebrochen. Widerlich, aber dennoch lustig. Es musste am Abend zuvor oder aber während des Spiels (war es Maik?) passiert sein. Wir waren zu sechst und niemand will es gesehen, gerochen und vor allem gewesen haben oder sein. Haben oder Sein? Die gute alte Frage. Jedenfalls HATTE ich die Brille auf und WAR angewidert von solch einem Verhalten anderer Mitmenschen. Ich selbst kann es nicht gewesen sein, vielmehr sollte ich mein Studium schmeißen, wenn ich mich so akrobatisch verdrehen kann, dass ich meine eigene Wade bebreche – der chinesische Staatszirkus würde mich mit Kusshand nehmen. In Ermangelung einer Ersatzhose schabte eine Klinge Solinger Stahl mir den Plins von der Extremität und so war ich wieder stadtfein. Im Bewusstsein, es am Abend zuvor schon übertrieben gehabt zu haben entschieden wir, alles zu trinken, was uns in den Weg kam. Denn, so weiß der erfahrene Trinker, am Tag DANACH kann man gar nicht mehr besoffen werden. Es ging doch!

Sonntags fuhr ich dann mit Freunden aus der Heimat gen Berlin, die ich im Stadion getroffen hatte. Drei Stunden Skat spielen (gefolgt von drei Stunden Übelkeit) im VW-Bus mit massig Platz und das für 15 Euro: Wo muss ich unterschreiben?

So war’s, ich schwöre, so wahr mir der gute Pott helfe!

Thursday, October 9, 2008

METRO - kannste keen' aßehln

"Ball aufm Dach - Wer holt ihn?" Tausend mal gehörte Fragen können im bürokratisierten Deutschland doch immer noch ne Schöne Welle machen. So sah ich mich gezwungen, der Metro AG, auf deren Großhandelslagerhaus der Trainingsplatz unseres Fussballvereins steht, eine kleine "Zeigefinger-nach-oben"-Mail zu schreiben. Lest selbst:

"Betreff: Feedback zum Kundenservice Metro am Ostbahnhof/Berlin

(Sie können diese Mail gern an Herrn C. G. [Geschäftsstellenleiter] weiterleiten, sie ist lustig geschrieben und das Thema dürfte ihn vielleicht auch interessieren)


Guten Tag,
mein Problem ist wahrscheinlich trivial und ich werde wahrscheinlich auch nie eine Lösung dafür bekommen, aber ich möchte Ihrer Firma doch ein Feedback geben, damit Sie den Service für Kunden, und solche die es werden wollen, zukünftig verbessern.

Wie Sie sicherlich wissen, befindet sich auf dem Dach Ihres Großhandels in Berlin ein Fußballplatz. Leider landete mein Ball während dem Training am 30.9. nun auf dem unzugänglichen Dach über den Umkleidekabinen, woraufhin ich in Ihren Markt zum Kundenservice-Schalter ging. Auf die Frage, ob jemand vom Service kurz hochkommen könnte und Zugang zum Dach hätte, hieß es nach einem Anruf, es würde einen Moment dauern, dann käme jemand nach oben. Ich wartete einen Moment, danach ein Teamkollege, während ich eine Dusche nahm. Als nun immer noch niemand erschien, ging ich noch einmal zum Service-Schalter und fragte nach. Der nächste Anruf beim Service ergab, dass nun doch niemand mehr hochkäme an diesem Tag und ich am nächsten Tag wiederkommen und mir den Ball abholen sollte. Ich drückte da schon mein Unbehagen aus, dass der Ball nie wieder auftauchen würde. Trotz allem kam ich 2 Tage später wieder hin, wo abermals der Kontakt zum Service-Menschen gesucht wurde, der leider (warum auch immer?) fortwährend abbrach und schließlich erneut negativ ausfiel. Jedenfalls war es auch bis zu diesem Tag unmöglich den Ball zu befreien, da am Vortag Sturmwarnung ausgegeben worden wäre. Am selbigen Donnerstag (2.10.) schien jeoch den gesamten Tag die Sonne. Seltsam... Vertröstet auf die kommende, diese Woche ging ich unverrichteter Dinge wieder.

Am diesem Dienstag nun der nächste Clou Ihres Personals. Ihr Hausservice sei "für die nächsten vier, fünf Wochen" nur mit einer Person besetzt, die alleine nicht das Dach betreten dürfe. Im übrigen sei ich doch der Verantwortliche, weil ich den Ball ja dort hoch geschossen hätte. Auf meine Frage, wer denn am Platz ein Flachdach konstruiert hätte, hier der Hausherr sei, und ob es Ihnen denn gefallen würde, mich dort oben klettern zu sehen, lauteten die zunehmend barscheren Antworten, dass der Metro-Fussballhimmel dem Bezirksamt gehöre und ich mich an diesen wenden solle. Ich wäre doch verantwortlich dafür "das ist eben so, da können wir gar nichts machen". Noch nie habe ich drei rhethorisch dermaßen schlecht ausgebildete Menschen auf einem Haufen gesehen, die ja Ihren Konzern am Einlass vertreten und mir sofort den Eindruck des "Jetzt verpiss dich endlich" gaben. Sollten Kundendienst-Mitarbeiter sich nicht eigentlich, selbst wenn der ganze Laden brennt, ein "Einen wunderschönen guten Tag, was kann ich für Sie tun?" aus den Lippen pressen können?

Auch stelle ich mir die Hausmeister-Frage: Natürlich verstehe ich, dass eine Tätigkeit wie Ball-holen unter der Würde eines Hausmeisters liegt. Aber wenn ein Hausmeister nicht mehr den Dienst am Haus ausübt und sich seine Tätigkeiten nach Lust und Laune auswählt: Verliert seine Position nicht ihr Existenzrecht?

Ich fände es schön, wenn Sie mir einen Verantwortlichen für solche Fälle nennen könnten, denn die Feuerwehr zu rufen kann ja auch nicht die Lösung sein.

Im Endeffekt habe ich die Hoffnung auf den Ball natürlich aufgegeben, dahingehend hat Ihr Personal die betrieblichen Aufwendungen natürlich geschont - Chapeau! Allerdings kann ich mir auch wirklich besseres vorstellen, als in Zukunft mit gutem Gewissen auch nur einen Euro in ihrem Unternehmen zu lassen. Wahrscheinlich war es daher sogar eine gute Erfahrung, auf soviel Arroganz und Ignoranz gestoßen zu sein.

In diesem Sinne wünsche ich ohne Gehässigkeit, dass Ihre zahlungskräftige Klientel vor solchen Auseinandersetzungen mit Ihren Service-Mitarbeitern verschont bleibt.

mit freundlichem Gruß,
M. P."

So wars, wenn ich nicht immer so freundlich auftreten würde, wäre mir bei den hanebüchnen Antworten, die es mir da entgegengeschalt hat, an Ort und Stelle der Arsch geplatzt. Ohne Worte!

Monday, October 6, 2008

Oktoberfest

Oktoberfest war ich an diesem Wochenende auch! Christiane fuhr zum Original nach München, ich zur Berliner Ausgabe nach Tegel. Und was soll ich sagen? Ich hab den Unterschied nicht gemerkt, oder viel mehr würde ich die Kopie dem Original immer vorziehen. Zuerst einmal ist es billiger, dann näher und zu guter Letzt feiert man mit dem gesamten Märkischen Viertel. Schon auf dem Weg dahin nahm die Dichte an guten Leuten bei jedem Verkehrsmittel-Wechsel (U- auf S-Bahn, S-Bahn auf Bus) stetig zu, kulminierte dann in der letzten Station zwischen Jakob-Kaiser-Platz und dem Festplatz. Auch ich hatte mich instinktiv bereits angepasst, benutzte schon mehr esszetts als eigentlich nötig ("Herr Busfahrer, fährt der Bus ßum ßentralen Feßplaß?").

Vor Ort traf ich mich mit Stefan und seiner Famile. Ihm war schon ein recht spezieller Kandidat ins Auge gesprungen (er hat aber auch den Blick dafür): Ich nenn' ihn einfach mal Johnny, grüne Feigling-Mütze, abgeranztes Äußeres, geistesgestörter Blick (ich täusche links an und gehe dann doch nach rechts, muhaha). Er brachte es jedenfalls auf den Punkt, als er am Stand auf die Frage "Was darfs sein?" mit "Wie immer!" antwortete. Auf einem Volksfest schon ungewöhnlich. Und dass er damit eine Tüte Krabbenchips bekam, machte die Sache nicht weniger amüsant.

Sei es wie es sei, wir hatten unseren Spaß und werteten die Eindrücke des Oktoberfests vom Zentralen Festplatz bei Stefans Schwester noch ausführlich aus. So war ich dann am nächsten Tag auch noch leicht angeschnattert, als es hieß: Auf zum ersten Spiel mit meinem neuen Verein. Scheiß Spiel, aber 2:0 gewonnen, so dass man wieder einmal von einem erfolgreichen Wochenende sprechen kann.

Christiane hat in München auch witzige Sachen erlebt, so traf sie Ferran, meinen Kumpel aus Valencianer Tagen, der jetzt in Dresden sein Erasmus-Jahr verbringt und bei meinem Kumpel aus Peitzer Tagen Ronald wohnt. Ferran hat sich, kaum in Deutschland angekommen, auch schon von der besten Seite gezeigt, Jacke verloren, den PIN-Code seines Handys drei Mal vertippt. Kurz und gut, er hat sich an seine neue Umgebung schon hervorragend angepasst. Ich hoffe, dass ich ihn so bald wie möglich mal besuchen kann in Dresden.

Wednesday, October 1, 2008

Das andere Ende

Ja, gestern hab ich die andere Seite von inbrünstiger Freude erlebt, nicht minder witzig als die Kaiser's-Sache, aber erst im Nachhinein. Alles begann mit einem regnerischen Tag und meinem Vorhaben, zum Training zu fahren. Ich nahm das Fahrrad, weil ich bis einschließlich gestern noch kein Semesterticket hatte.

Ob es aus Faulheit der Straßenbeschrifter geschieht oder aus der Einsicht, dass Radfahrer sowieso überall langfahren, wo sie wollen und nicht sollen, ich weiß es nicht. Fakt ist jedoch: Radwege in Berlin werden mitunter an einer Kreuzung angedeutet, und nach zehn Metern hört die gestreifte Linie auf, Rad- und Kfz-Halter wissen nun, wie die Straße aufgeteilt ist. Wie exakt einige diese virtuell weiterverlaufenden Linien nun vor Augen haben, durfte ich alsgleich erfahren. Als ich die Landsberger Allee hochfuhr, endete auf einmal mitten auf einer Geraden der Radweg und bog auf den Bürgersteig ab. "Auf einmal" klingt sehr spontan, in Wahrheit wurde ich durch eine fünf Meter lange, durch eine Pfützenrinne getarnte gestrichelte Linie darauf aufmerksam gemacht, auf den Bürgersteig zu wechseln...

Wie dem auch sei: Ausfahrt verpasst und direkt danach zieht ein Kombi an mir vorbei mit Minimalabstand, scheinbar war der Fahrer geistesgegenwärtiger oder -kranker Weise davon ausgegangen, dass ich der virtuellen Linie folgen (= mich verpissen von der Straße) würde. Gut, kleiner Schreck, alles ganz okay. Doch wie es so ist in einer Situation wie dieser: Es fehlt die Polemik! Bis jetzt war das ja alles kalter Kaffee.

In meinem Versuch, mich an den an der roten Ampel haltenden Autos vorbeizuschlängeln, durfte ich nämlich Bekanntschaft mit dem Chef des Wagens (er saß zumindest hinten rechts) schließen. Johnny war einer von (O-Ton Arnold Schwarzenegger) "funf Erwochsenen in aanem Oodi Quottro" (in Wirklichkeit wars ein Passat), und der Einfachheit halber hatten alle Blaumänner an. Ich nehme an, dass er seinen Platz als Sozius in der Mitte der Rückbank immer nur dann verlassen darf, wenn gerade jemand in der Ausbildung ist, und ihn verliert, sobald der Stift das zweite Lehrjahr erreicht. Seine interkulturelle Kompetenz zeigte sich bereits vor dem ersten Wort. Wer es bis jetzt nicht weiß, dem sei es hier einmal gesagt: Zahnherbst mit Geifer dazwischen, zwei Pils im Atem und ordentlich angelegte Haare wie der junge Bud Spencer sind alles Indizien für sachlich angebrachte Kritik!

Johnny maßregelte mich entsprechend meinem Vergehen mit einem barschen "Weeßte nisch wo der Fahrradweg is, du Arschloch, oder wat?". Es ging mir unter die Haut bis auf die Knochen. Vor Scham. Denn ich kannte ja meinen Fehler. Dazu bereit, präventiv meinen Stiefel durch das nur halb runtergekurbelte Fenster und die sporadische orale Elfenbeineinfassung direkt in seinen Schädel rein zu tun antwortete ich mit einem sehr erregten: "Tut mir leid. Hab ich nicht gesehen, dass der Fahrradweg da aufhört. Wollte ich nicht. Hab ich nicht mit Absicht gemacht. Kann doch jedem mal passieren." Klar, dass unser Konfliktpsychologe sich vor seinen Kollegen nicht so plump ans Bein pinkeln lassen wollte, zudem hatte er seine profunden Germanistik-Kenntnisse noch nicht anbringen können. So wurde ich nur minder überrascht, bereits im sicheren Gefühl, diese Situation mit meiner polternden, übertrieben provokanten Art wieder einmal entschärft zu haben, als ich in meinem Rücken den Breitmaulfrosch noch mal zu einer Breitseite ansetzen hörte.

"Das is noch lange keene Ausrede", warf er mir den Fehdehandschuh hin. Wer mit mir schon einmal im Straßenverkehr unterwegs war, weiß, dass mich nichts und niemand aus der Ruhe oder in Rage bringen kann. Und normalerweise trifft mich Plumpheit immer auf dem falschen Fuß, beziehungsweise fühle ich immer mit den armen Seelen, anstatt ihnen etwas Paroli zu bieten. Normalerweise! Da ich mit meinem Kumpel Stefan in letzter Zeit jedoch Plattitüden aller couleur auswerte, dachte ich: "Streu ich doch mal einen ein!"

Also stieg ich vom Rad, drehte mich um, ging einen Schritt näher hin, hob meinen Zeigefinger gen Suffnase hinten rechts und brüllte ihn an: "Was is'n mit DIR? Was nimmst DU DIR denn raus, mich hier auf der Straße anzuschreien? Hast du weiter nichts im Schädel, oder was?" Mit einem herausgeschnieften "Man, do!" stieg ich auf und fuhr weiter. Im Auto drehten sich vier Köpfe in Richtung des Schreihalses, der kleinlaut das Fenster hochkurbelte. Vermutlich hatte ihm der Fahrer diesen Auftrag erteilt, damit der Regen die Karre nicht vollsuppt. Vermutlich rangiert er jetzt in der Hierarchie auf dem Bau direkt zwischen dem Azubi und dem Schülerpraktikanten, aber das war mir egal.

Ich hab mich gefreut, mal nach außen hin Dampf abzulassen, ohne dass mich die Situation in irgendeiner Form angehoben hätte. Armselig zwar, wenn man ausschließlich in dieser Sprache über die Runden kommt, aber Spaß machts irgendwo ja doch. Außer dem Johnny, der jetzt wohl die Tränen des traurigen Clowns weint...

Sunday, September 28, 2008

Kaiser's made me do it

Warum zum Teufel würde ich wieder ein Blog schreiben wollen? War das Erasmus-Jahr nicht gerade um? Quälten sich die sowieso schon recht unregelmäßig erscheinenden Berichte gegen Ende nicht in immer weiteren Abständen aus der Tastatur?

Fragen, auf die es nur eine Antwort geben kann: Die Wiedereröffnung des "Kaiser's"-Marktes in der Fehrbelliner Straße. Der liegt 100 Meter von Christianes Wohnung entfernt und wurde letzte Woche mit großem Tamtam wiedereröffnet. Unter anderem gab es auch einen Grillstand, an dem kostenpflichtig in Darm gepresstes Fleischbrät und auch lose Stücken Schwein zu erwerben waren. Soweit die Theorie!

Als ich Freitag um kurz vor 20 Uhr ankam, war der ganze Stand im Begriff, zusammengepackt zu werden. Und so fragte ich, schon in der "Schade eigentlich"-Bewegung, ob es noch was vom Grill gäbe. Nach erstem "Tut mir leid, ich kann dir nur noch ne trockene Schrippe anbieten" fand die nette Bedienung dann doch noch ein warmgehaltenes Steak, holte den schon weggepackten Ketchup heraus und drückte mir beides in die Schrippe. Oh Wunder! Doch es kam noch besser: Denn, trockene Mühle mahlt nicht gut, wurde mir auch noch ein Getränk angeboten - Bier oder Sekt. Bodenständig griff ich zum Pils und so wurde mir ein handwarmes Krombacher überreicht, in Ermangelung eines Bechers auch gleich die ganze Flasche. "Sags keinem weiter" instruierte mich die Wurstfachverkäuferin weiter. Als wären das nicht schon der guten Dinge zuviel, gab es auch noch eine Pommes-Schale voll Gummibären. Das alles für umme, von wegen zwischenmenschlich raues Deutschland!

Im Stil einer mittelmäßigen Varieté-Aufführung ging nun, da ich kulinarisch versorgt war, auch die Show los. Zwei absolute Vollprofis, ich nenne sie einfach mal Johnny und Manni, hatten ihre Pilsator-Flaschen für einen Moment beiseite gestellt, um ihre zotteligen Gestalten in den Dienst des Aufräumkommandos zu stellen. Mit dem nur auf solchen Veranstaltungen der Weltklasse zu findenden Fingerspitzengefühl spielte der Zufallsgenerator der Beschallungsanlage alsbald "Ma Baker" von Boney M. Was ein Erlebnis, Harry und Kai-Uwe dann beim Stehtisch-Wegtragen, Rollcontainer-Wegrollen und Kabuff-Abbauen zusehen zu dürfen. Garniert von leicht angesäuselter Tippgeberei ("Lass doch mal los, Mensch!") und allerhand unrunder Bewegungen samt Ausfallschritt hier und da. Ich fühlte mich priviligiert und sowohl gut genährt als auch unterhalten. Wer sagt jetzt bitte noch, dass so ein Blog unsinnig ist? Wenn sich wieder ähnliche Rührstücke in meinem Blickfeld abspielen, lest ihr es hier.