Da sitze ich nun im Flughafen von Sao Paulo, nach einem durchaus erträglichen Flug. Zuerst dachte ich sogar, den sitzplatztechnischen Jackpot gezogen zu haben oder zumindest den Sechser ohne Zusatzzahl. Zwischen zwei deutsch aussehenden Opas zu sitzen, die unter sich locker 150 Lenze aufteilten, erschien immer noch besser, als zwischen den Müttern mit ihren unvermeidlich brüllenden Bälgern. Während jedoch die Neugeborenen bald nach dem Start selig wegschlummerten, zeigten meine erfahrenen Nebensitzer ihre Qualitäten.
Links saß ein namenloser Mann, der die ersten 4 Jahre seines Lebens in Deutschland und die folgenden 79 in Kasachstan verbracht hatte. Just diese Brocken Deutsch haben ihm aber viel geholfen, denn dank meiner Übersetzung hat auch er kulinarische Versorgung abbekommen. Sein persönliches Handicap: Er ist auf rechts blind und war deshalb sehr überrascht, wenn der Getränkewagen vorbeikam - immer von rechts übrigens! Saß ja ganz links, der arme Bursche. Ertappt beim Nichts-Mitkriegen, ruderte er dann wild mit den Armen, um zu sagen, dass er nichts trinken wollte oder sich zumindest nicht augenblicklich zu einer Wahl durchringen konnte. Ich hab das dann immer als "ein Wasser, bitte" übersetzt. Alte Leute sollen ja immer genug trinken. Sein großes Talent: Das Kopfkissen und die Decke kamen im Plastiküberzug. Den abzunehmen, war seine Sache nicht. Sei es Schüchternheit oder das Wissen um sein eigenes Ohrenschmalz, er bettete sich unruhig knisternd und raschelnd immer wieder auf der Folie um. Auf meinen Hinweis, die Folie doch einfach komplett zu entfernen, fing er doch tatsächlich damit an, kam aber nicht weiter als zur Hälfte. Er scheint ein sehr ordentlicher Mensch zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er nach seinen raschelnden Dämmerphasen immer wieder das Kissen in die Tüte herein und zum Eindämmern wieder heraus friemelte. Ein großartiges Schauspiel wäre das für jeden, der - anders als ich - hellwach war.
Auf der rechten Seite saß ein Brasilianer mit deutschen Vorfahren ("Kramer" stand im Perso). Sein Talent und Handicap zugleich: Er konnte täuschend echt den Vibrationsalarm eines Handys imitieren. Kurz nur, fast angetäuscht, aber doch spürbar. Ich dachte mir nichts dabei, schließlich gilt ja die Unschuldsvermutung, und döste weg. Geweckt wurde ich durch einen seltsamen Geruch in der Nase erst, als er sich von seinem Platz erhoben hatte, um eine Runde durch den Flieger zu spazieren. Seine Hose muss also aus einem Pupse speichernden Material sein, was seinen gasförmigen Inhalt erst abgibt, wenn der Mensch sich in Bewegung setzt. Quasi die ideale "Einen-Stehen-Lassen"-Buchse, zumal man sie im Sitzen auch über einen längeren Zeitraum aufladen kann. In der Folge stand er noch einige Male auf, imitierte in den Minuten des Sitzens noch einige Male ein vibrierendes Handy, und ich wachte noch einige Male verstört neben einem verwaisten Platz auf. Gerade noch einen Blick auf diesen davon eilenden Spaziergänger konnte ich jedes Mal noch werfen. Diese Hose brauche ich auch!
2 comments:
Mensch Micha,
hoffentlich bleibt deine Sicht auf das Erlebte so erfrischend wie dieser Blogeintrag. So hast du bestmmt eine tolle Zeit in Chile. Ich freu mich auf weitere Beiträge und schicke viele Grüße aus Deutschland,
Nicole
Einen guten Start wuenschen wir Dir, Micha!
- Anna & Sebastian
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